Pressemitteilung 03.09.2015
Nachbarschaftsinitiative
wehrt sich gegen Grünflächen- und Baumvernichtung im nördlichen
Bergmannstraßenkiez.
Schildbürgerstreiche
im Kreuzberger Bezirksamt - zahllose Stadtbäume und ein Spielplatz
sollen siebenstöckigen Neubauten weichen, um die Sicht auf die
Rückseite eines Sechzigerjahrehochhauses zu erhalten.
Die
neu gegründete Nachbarschaftsinitiative zur Kiezerhaltung (NizKe)
hat sich zum Ziel gesetzt
- die grüne Oase an der Blücher- /Schleiermacher- /Fürbringerstraße
zu bewahren
- den Spielplatz an seinem jetzigen kiez- und kinderfreundlichen Standort
zu erhalten
- wertvollen alten Baumbestand zu sichern und deshalb u.a.
- den geplanten Grundstückstausch zu verhindern.
Vor
circa drei Jahren wurde das ehemalige Altenwohnheim an der Blücherstrasse
26 mit dem dazugehörigen Grundstück vom Bezirk verkauft.
Ende Juni 2015 stellte Bezirksbaustadtrat Panhoff zusammen mit dem Käufer,
der Blücher 26 Housing GmbH, die Baupläne vor. Das Bestandsgebäude
aus den Sechzigerjahren soll erhalten bleiben, außerdem sollen
auf dem Gelände vier Neubauten entstehen mit Wohneinheiten für
betreuungsbedürftige Jugendliche und Ältere, sowie einer Kita.
Stolz wurde von den Verantwortlichen dieser Plan präsentiert, immerhin
hätte man die Ansiedlung von Supermärkten oder den Bau von
Luxuswohnungen verhindert. Allerdings müssten dafür viele
der jahrzehntealten (und z.T. schon in die Neubauplanung der 60er mit
einbezogenen) Bäume gefällt und überhaupt die zum Gesamtbaukonzept
Ernst Mays gehörende Parkanlage (des berühmten Gartenarchitekten
Rossow) zerstört werden.
Die
bei Kiezbewohner_innen und Passant_innen äußerst beliebte
grüne Oase an der Ecke Schleiermacher/Fürbringerstraße,
die außer zum Spielen auch als Anwohnertreffpunkt und der Naherholung
dient, würde verschwinden, der Stadtplatzcharakter ginge völlig
verloren wenn der Spielplatz in den Innenhof des zu erschaffenden Neubauensembles
verlegt würde.
Zu dem Thema hat die Bezirksverwaltung sogar ein Gutachten erstellen
lassen, dass zu der absurden Erkenntnis kam, es sei für die Kinder
besser, unter den Fenstern und Balkonen der zu betreuenden Bewohner
auf einem schlecht zugängigen und nicht öffentlich einsehbaren
Innenhof zu spielen, statt wie bisher unter Bäumen, in Sichtkontakt
und mit Anbindung an die Nachbarschaft im Kiez.
Maximale Ausbeute an umbautem Raum auf Kosten des bestehenden sozialen
Umfeldes und der Lebensqualität im Kiez ohne Berücksichtigung
der Anwohner_inneninteressen, eine recht eindimensional anmutende Auslegung
von Inklusion und Sozialverträglichkeit!
Die
Bauträger der Blücher 26 erläuterten, dass es bereits
eine ältere mit dem Bezirk abgestimmte Planungsvariante gegeben
hatte, die ohne Spielplatzverlegung ausgekommen wäre. Dann jedoch
ruderte das Stadtplanungsamt zurück. Es fordert jetzt den Erhalt
einer „Sichtachse“ auf das Bestandsgebäude, entworfen
von Ernst May, einem der prominenten Stadtplaner der bundesdeutschen
Nachkriegszeit, auch bekannt als „Vater der Trabantenstädte“
(Die Welt). Das bestehende Altenwohnheim ist das einzige Ernst May-Gebäude
in Berlin. Die geforderte Sichtachse soll allerdings auf die Rückseite
des Hauses gerichtet sein, auf der sich Fenster zu Fluren und Wirtschaftsräumen
befinden.
Die
Ästhetik der baulichen Hinterlassenschaft Mays gilt in der Fachwelt
als zweckdienlich, funktional - und überholt; als Kind ihrer Zeit.
Als wegweisend und seiner Zeit voraus bewertet man hingegen seine „starke
Betonung des Elements der Landschaft und der Grüngestaltung“
sowie die „Einbettung der Gebäude in Grünflächen
und die innige Verschränkung des Wohnens mit dem Grün“.(1)
Besonders
wichtig war Ernst May bei der Konzeption des Heinrich-Plett Hauses in
der Blücherstraße 26 nach eigener Aussage sogar folgendes:
„...die Architekten betrachteten es von Anbeginn als ihre Aufgabe,
den Baumbestand(2) zu erhalten, der dann später
von dem Gartenarchitekten Rossow
liebevoll in eine parkartige Gesamtanlage einbezogen wurde.“ (Ernst
May 1969(3))
Die
Bedeutung eines Projektes zu würdigen und dabei gleichzeitig seine
Essenz zu zerstören, das könnte ein Streich aus dem Rathaus
von Schilda sein. Dazu passt auch der Umstand, dass es eine grüne
Bezirksregierung ist, die für die Errichtung von Neubauten eine
innerstädtische Grünfläche mit altem Baumbestand zu vernichten
plant.
Das Spielplatzgrundstück gehört nicht zu dem Areal, das an
die Blücher 26 Housing GmbH verkauft wurde, es ist weiterhin im
Besitz der Stadt und somit der Bürger_innen!
Um auf dem Spielplatzgelände also wie geplant in Blockrandbebauung
einen weithin sichtbaren und den Kiez visuell domierenden siebenstöckigen
Zweckbau zu errichten, müsste ein Grundstückstausch stattfinden,
Spielplatzareal an öffentlicher Strassenecke gegen Platz im Innenhof
eines Neu- und Bestandsgebäudeensembles.
Die
Vorteile dieses Grundstückstausches für den Bauträger
liegen auf der Hand:
- da sowieso Abstandsflächen eingehalten werden müssen, wäre
es für die Blücher 26 Housing GmbH ein Nettogewinn an bebaubarer
Fläche und das ohne zusätzliche Kosten
- die Abstandsfläche in der Mitte des Bauensembles, also der neue
Spielplatz, würde vom Bezirk gestaltet und gewartet, ohne Kosten
für die Eigentümer
- es wäre sicher praktisch für die geplante Kita, auf dem
eigenen Hof einen von der Stadt betriebenen 'öffentlichen' Spielplatz
zu haben.
Vorteile
für den Kiez gäbe es durch diesen Grundstückstausch keine,
dafür wären die Nachteile erheblich:
- der Spielplatz wäre nur noch über versteckte Zugangswege
erreichbar und vom Rest des Kiezes isoliert
- die siebenstöckigen Zweckbauten direkt am Bürgersteigrand
würden die durch Gründerzeitbauten geprägte Nachbarschaft
dominieren und optisch verschandeln
- der nördliche Abschnitt der Schleiermacherstraße würde
verschattet
- dieser Teil des Kiezes verlöre seinen grünen und offenen,
zum Verweilen einladenden Stadtplatzcharakter. Eine der kleinen grünen
Lungen, für die Berlin als „grünste Metropole Europas“
geschätzt ist, weniger.
Den Grundstückstausch kann der Bezirk nicht allein beschließen,
er müsste beim Liegenschaftsamt des Senats beantragt werden, auch
das geschähe nur dann, wenn die Projektplanung sowohl vom Bauausschuss
als auch von der Bezirksverordnetenversammlung bewilligt würde.
NizKe
ruft alle interessierten und besorgten Bürgerinnen und Bürger
auf, ihrem Unmut über die geplante Kiezzerstörung Ausdruck
zu verleihen, sich mit ihrer Unterschrift und besonders mit Eingaben
an die Entscheidungsträger_innen gegen die derzeitige Planung zu
wehren.
Die Bauauschussmitglieder sowie die Bezirksverordneten bittet NizKe,
den geplanten Grundstückstausch zu verhindern.
Unterschriftenlisten
für den Kiezerhalt liegen bei Pizza Don in der Schleiermacherstraße
9 aus.